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Texte zu Aikido, Feldenkrais und Selbstschutz

Hier finden Sie Texte zu Aikido, Feldenkrais und Selbstschutz. 
 


Texte zu Beziehungen zwischen Aikido und Feldenkrais:

Aikido und Feldenkrais

 

Oder was hat eine Kampfkunst mit Selbstorganisation zu tun?

 

Eine kurze Erläuterung

 

Die Feldenkraismethode ist ein System zur bewussten Verbesserung der Selbstorganisation. Sie bedient sich des Mittels der Bewegung. Im engeren Sinne ist sie sowohl ein System von verbal angeleiteten Bewegungslektionen als auch manuell vermittelter Bewegungs- und Wahrnehmungsmuster.
 

Der Zweck der Feldenkraismethode kann darin gesehen werden, prinzipiell jede Willkürbewegung zu analysieren und ggfs. zu verbessern. Die Methode ist also in diesem Sinne nicht-spezifisch oder allgemein.

 

Aikido ist eine vorwiegend defensive waffenlose Kampfkunst (martial art). Im weiteren Sinne Bewegung und Selbstorganisation bei Gefahr. 

Im engeren Sinne ist Aikido ein System spezifischer Techniken, die auf verschiedene, meist standardisierte Angriffe angewendet werden.

 

Sinn und Zweck des Aikido ist es Gefahr zu vermeiden, sinnvoll mit Gefahr umzugehen, der Gefahr zu entkommen und Gefahr abzuwehren. Dem stehen verbreitete Vorurteile entgegen, die meinen, man müsse prinzipiell stark und dominant sein und man müsse so Aggressoren besiegen.

 

Im Aikido lernt man körperliche Angriffe auf spezielle Art und Weise zu „beantworten.“ Dazu übt man eine Reihe von Techniken. Diese dienen dazu, den Menschen bezüglich eines Angriffs besser im Sinne des Selbstschutzes reagieren zu lassen.

Man könnte also sagen: Durch Aikido verbessert man die Anpassungsbedingungen des Organismus an eine Gefahrensituation. 

 

Aikido als Verbesserung dieser Anpassungsbedingungen ist eine spezifische Methode, denn sie verbessert die Selbstorganisation speziell in Hinsicht auf Gefahrensituationen. Hier dominiert eine nach aussen gerichtete situative Orientierung.
Feldenkrais hingegen ist in diesem Sinne eine nicht-spezifische Methode, denn sie adressiert prinzipiell jede mögliche Bewegung. Hier dominiert eine nach innen auf den Organismus gerichtete Orientierung.

 

Wenn eine Handlung den situativen Anforderungen gerecht wird, so mag es zwei Handlungsziele geben. 

Das erste ist offensichtlich: Die Erreichung eines äußeren Ziels (z.B. Abwehr eines Angriffs). 

Das zweite ist weniger offensichtlich: Das harmonische Zusammenspiel der einzelnen Teilbewegungen, was auch mit dem Zusammenspiel der einzelnen Körpersegmente zu tun hat. (z.B. die Kombination von Fußarbeit und Herausdrehen des Armes aus einer Festhalteposition.)

Beide Ziele, äußeres wie inneres, werden nicht immer gleich gut erreicht. In einer Gefahrensituation wird natürlich das äußere Ziel, die Abwehr des Angriffs im Vordergrund stehen. 

Das äußere Ziel wird also immer gern auf Kosten des inneren erreicht werden wollen. So mag der Angriff zwar abgewehrt werden, aber der Angegriffene verletzt sich dabei. Oder dem Angriff wird mit so unangemessener Heftigkeit begegnet, dass die Abwehr ethisch nicht vertretbar ist, ganz zu schweigen von möglichen juristischen Konsequenzen und Schadenersatzforderungen. 

 

Es ist also nicht immer so, dass die Ausführung der Handlung, die auf einer guten Abstimmung von Teilbewegungen und Funktionen basiert, optimal im Sinne dieser Abstimmung ist. 

Hier noch einige Beispiele:

- Schreiben, die Schrift mag leserlich aber schwer zu entziffern sein

- Ballwerfen, der Ball mag im Ziel landen, aber die Kraftverteilung des Wurfes unökonomisch sein

- eine Rede halten, die Zuhörer schlafen nicht ein, aber der Redner fühlt sich unsicher/unwohl bei seinem Vortrag

- einen Angriff abwehren, der Angegriffene überlebt aber verletzt sich dabei. 
Spätestens hier wird nun klar, wie Aikidoübenden von der Feldenkraismethode profitieren können. 
Aber auch für Feldenkraispraktizierende kann nun deutlich werden, dass bei Gefahr "Körperlogik" und "martialische Körperlogik" nicht deckungsgleich sind. 
Unter Körperlogik sei hier zu verstehen: alles, was der Person anatomisch möglich ist.
Bei martialischer Körperlogik wiederum wird man bestimmte Haltungen und Bewegungen vermeiden, speziell Bewegungen mit endgradigen Gelenkstellungen.
Ich bin überzeugt, dass Feldenkrais sehr gut für Aikidoka ist. Aber auch eine Aikidoperspektive kann sehr gut für Felndenraispraktizierende sein.

 

Roland Klimpel 25.07. ergänzt am 31.12.2021

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Die 4 Prinzipien der Selbstorganisation:

 

Die 4 Prinzipien der Selbstorganisation (SO)


1      Nimm Dir dafür Ruhe

2      Es gibt immer mehr als 2 Möglichkeiten

3      Beachte immer Deine Gewichtsverteilung

4      Suche die Differenzierung


Vorbemerkung: Prinzipien sind Hilfsmittel und keine „Wahrheiten an sich“. Sie sollten so allgemein gehalten sein, dass sie auf die Mehrzahl der Situationen anwendbar sind, dennoch spezifisch genug um nicht trivial zu sein. Sie helfen Dir (z.B. in einer ATM*, die durchaus als Arbeit an der Selbstorganisation verstanden werden soll) die Wahrnehmung sinnvoll zu lenken. 

Prinzipien sind kein Algorithmus! Sie sagen Dir demzufolge nicht, wie man ein spezifisches Problem löst. Obwohl nummeriert, sagen sie Dir auch nicht, in welcher Reihenfolge vorzugehen ist. Die Nummerierung deutet eher darauf hin, welche Punkte allgemeiner und umfassender und welche spezifischer sind. So mag es  nicht verwundern, wenn Bedeutungsüberlappungen der einzelnen Prinzipien zu Tage treten. Es ist eher so, als betrachte man ein und dieselbe Situation aus unterschiedlichen Entfernungen und Perspektiven.

(*ATM: eigtl. awareness through movement. Eine Gruppenlektion beim Feldenkrais)


Zu Prinzip 1: 

Nimm Dir dafür Ruhe. Dies mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, ist es in der Praxis aber nicht! Übertrieben formuliert: Es ist sehr schwer Schwimmen zu lernen, wenn man dabei ist zu ertrinken. Der zu unterlassene Fehler besteht oft darin, dass man sich der SO zuwendet, wenn ein Problem schon so virulent ist, dass Hektik und Aktionismus, ängstliches Vermeiden oder „jetzt-erst-recht“- Strategien angewendet werden. Sinnvolle SO ist also eher „primärpräventiv“ als „therapeutisch“. Da es gilt eine Vielfalt von Möglichkeiten zu entdecken (damit sei zu Prinzip 2 übergeleitet), sollte man sich Zeit und Ruhe nehmen.

Zu Prinzip 2: 

Es gibt immer mehr als 2 Möglichkeiten. Eingeengtes Denken ist oft „Schwarz-Weiß-Denken“. („Wenn´s links nicht langgeht, muss ich nach rechts“ oder „Ich kann den Arm nicht ohne Schmerzen heben, also muss ich da durch oder es eben sein lassen“. „Ich hab zu wenig Kunden, also muss ich mehr Fortbildungen machen oder billiger werden“) Häufig aus der Not der Hektik geboren, sieht man nicht die Fülle der Möglichkeiten. (Vielleicht muss ich nur warten bis der Weg links wieder frei wird, vielleicht kann ich manche Armbewegungen tatsächlich vermeiden, vielleicht gibt es andere „gesündere Bewegungsbahnen“. Vielleicht muss ich nicht mehr Fortbildungen sondern andere Werbung machen. Vielleicht hilft es, wenn ich meine Kunden anders behandele oder anderen Service anbiete.) 

Vor die Aufgabe gestellt mehr als 2 Handlungsmöglichkeiten zu finden, wird man angeregt, die eigenen, oft unbewusst genutzten Prämissen und unbewusst getätigten Schlussfolgerungen zu entdecken. So kann ein umfassenderes Gesamtbild der Situation entstehen. Die Wahrnehmung vieler Handlungsalternativen führt zu freien Entscheidungen.

Die ersten beiden Prinzipien der SO helfen also die häufigsten Fehler zu vermeiden.

 

Zu Prinzip3: 

Beachte immer Deine Gewichtsverteilung. Die Verteilung des Gewichts („wo sind meine Schwerpunkte“) zu beachten, hilft den Blick für die eigene Organisation zu schärfen. Das Verändern der Gewichtsverteilung im Körper kann das Zusammenspiel der einzelnen Teile/Segmente verbessern oder erschweren. Im übertragenen Sinne ist das Wahrnehmen der eigenen Handlungsschwerpunkte Voraussetzung des sinnvollen Überdenkens derselben. Hab ich mein Gewicht ganz gleichmäßig verteilt?  

Wieviel Zeit verwende ich jeweils für Service, Akquise, Werbung, Verwaltung, Erholung etc? 

 Ist das für meine Situation sinnvoll? Kann ich „Gewicht abgeben“?   (z.B. Tätigkeiten auslagern) 

Dies führt 

 

zu Prinzip 4: 

Suche die Differenzierung. Eine Differenzierung ist immer ein Einschub zwischen einem Teil und einem Ganzen. (Wobei das Teil immer mit dem Ganzen als verbunden betrachtet werden muss!) Das Ganze kann bei einer ATM z.B. der Körper sein. Der bewegte Arm mag als Teil betrachtet werden. Ein Einschub wäre z.B. eine Änderung der Handgelenks- oder Ellbogenkonfiguration beim Drehen des Armes. 

Ein abstoßender Schritt nach hinten vor dem Vorwärtsgehen mag auch ein „Einschub“ in ein Bewegungsbild sein und somit eine Differenzierung darstellen.

Weiter Beispiele im übertragenen Sinne:

Ist es möglich zwischen mir und meinen Kunden eine Vermittlung „einzuschieben“?

Kann ich mein Angebot sinnvoll differenzieren (Differenzierung nach Zielgruppen oder Binnendifferenzierung der Zielgruppen)?

 

15.2.2016 Roland Klimpel





Selbstorganisation bezieht sich hier auf das menschliche Handeln